Es ist 23:30 Uhr. Du liegst im Bett, eigentlich hundemüde, aber dein Gedankenkarussell springt an wie ein Motor, der sich einfach nicht abstellen lässt. Kennst du das? Während dein Körper längst bereit für den Schlaf ist, rattert dein Kopf unaufhörlich weiter. Du denkst an den Termin morgen, an das Gespräch mit der Kollegin, an die unbezahlte Rechnung – und plötzlich ist an Schlaf nicht mehr zu denken.
Als Achtsamkeitstrainerin und Coach erlebe ich das seit 2018 fast täglich in meiner Praxis. Unzählige Menschen haben mir schon erzählt, dass ihr Gedankenkarussell besonders nachts so richtig auf Touren kommt. Und weißt du was? Du bist damit nicht allein. Mehrere hundert Menschen habe ich bereits dabei begleitet, aus ihrem nächtlichen Grübeln auszusteigen – und dabei immer wieder die gleichen Muster entdeckt.
In diesem Artikel zeige ich dir die drei häufigsten Auslöser für dein nächtliches Gedankenkarussell. Wenn du verstehst, warum dein Kopf nachts keine Ruhe gibt, machst du den ersten wichtigen Schritt. Denn nur wenn du die Ursache kennst, kannst du etwas dagegen tun. Und das Schöne ist: Es gibt wissenschaftlich fundierte Wege aus diesem Dilemma – ganz ohne esoterischen Schnick-Schnack.
Was ist ein Gedankenkarussell und warum startet es ausgerechnet nachts?
Vielleicht fragst du dich: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen normalem Nachdenken und diesem nervigen Gedankenkarussell? Das ist eine berechtigte Frage, denn die Grenze ist manchmal fließend.
Normales Nachdenken ist zielgerichtet. Du denkst über ein Problem nach und kommst zu einer Lösung oder einem Entschluss. Beim Gedankenkarussell hingegen kreisen die Gedanken immer wieder um die gleichen Themen, ohne dass du zu einer Lösung kommst. Es ist wie ein Hamster im Laufrad – viel Bewegung, aber kein Fortschritt.
Aber warum startet dieses Karussell ausgerechnet dann, wenn du eigentlich schlafen möchtest? Die Antwort liegt in der Funktionsweise unseres Gehirns. Tagsüber sind wir beschäftigt, abgelenkt, haben To-dos und Termine. Unser Gehirn ist im Aktionsmodus. Doch sobald wir zur Ruhe kommen, passiert etwas Interessantes: Das sogenannte Default Mode Network wird aktiv.
Das Default Mode Network ist ein Netzwerk in unserem Gehirn, das immer dann anspringt, wenn wir nicht aktiv mit etwas beschäftigt sind. Es ist eigentlich ein genialer Mechanismus – es hilft uns dabei, Erlebtes zu verarbeiten, uns selbst zu reflektieren und Pläne zu schmieden. Das Problem ist nur: Es kennt keine Arbeitszeiten.
In meiner Praxis erlebe ich immer wieder, dass Menschen denken, sie könnten ihr Gedankenkarussell einfach abstellen. „Ich denke jetzt einfach nicht mehr daran“, sagen sie. Aber so funktioniert unser Gehirn leider nicht. Je mehr du versuchst, nicht an etwas zu denken, desto präsenter wird es. Kennst du das Experiment mit dem rosa Elefanten? Denk jetzt bloß nicht an einen rosa Elefanten – und schon ist er da.
Das Gedankenkarussell ist also keine Schwäche oder ein Zeichen dafür, dass mit dir etwas nicht stimmt. Es ist ein ganz normaler Mechanismus deines Gehirns, der nur zur falschen Zeit aktiviert wird. Und genau deshalb ist es so wichtig, die Auslöser zu kennen.
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Auslöser 1 – Unerledigte Aufgaben: Warum dein Gehirn nachts zur To-Do-Liste wird
Kennst du das? Du liegst im Bett und plötzlich fällt dir ein: „Oh nein, ich habe vergessen, die E-Mail an den Kunden zu schicken!“ Oder: „Morgen muss ich unbedingt den Termin beim Zahnarzt vereinbaren.“ Und schon ist es vorbei mit der Ruhe.
Was da passiert, hat einen Namen: der Zeigarnik-Effekt. Benannt nach der russischen Psychologin Bluma Zeigarnik, die in den 1920er Jahren entdeckte, dass unser Gehirn unerledigte Aufgaben viel besser im Gedächtnis behält als abgeschlossene. Evolutionär macht das Sinn – schließlich war es überlebenswichtig, wichtige Dinge nicht zu vergessen.
Das Problem ist nur: Unser modernes Leben ist voller unerledigter To-dos. Und unser Gehirn kennt nicht den Unterschied zwischen „Ich muss noch Mammut jagen“ und „Ich muss noch die Steuererklärung machen.“ Für dein Gehirn ist beides gleich wichtig und wird daher immer wieder ins Bewusstsein gespült.
In meiner Coaching-Praxis erlebe ich das täglich. Besonders Selbstständige und Menschen in Führungspositionen erzählen mir: „Sobald ich mich hinlege, denke ich an all die Sachen, die ich noch nicht erledigt habe.“ Das ist völlig normal – und gleichzeitig sehr belastend.
Eine meiner Klientinnen, eine Projektmanagerin, beschrieb es mal so: „Mein Kopf wird nachts zum Post-it-Block. Ein Gedanke nach dem anderen klebt sich fest und lässt sich nicht mehr abziehen.“ Genau das ist der Zeigarnik-Effekt in Aktion.
Warum funktioniert dann „einfach nicht daran denken“ nicht? Weil unser Gehirn diese unerledigten Aufgaben als offene Schleifen wahrnimmt. Und offene Schleifen wollen geschlossen werden. Je mehr du versuchst, sie zu ignorieren, desto lauter werden sie.
Das Tückische daran: Nachts kannst du diese Aufgaben meist nicht erledigen. Du liegst also da und grübelst über Dinge, die du sowieso erst morgen angehen kannst. Dein Gehirn macht Überstunden, ohne dass dabei etwas Produktives herauskommt.
Ich beobachte auch, dass Menschen oft denken, sie müssten sich diese Dinge merken. „Wenn ich jetzt nicht daran denke, vergesse ich es morgen“, ist ein häufiger Gedanke. Aber genau das hält das Gedankenkarussell am Laufen. Es ist wie ein Teufelskreis: Du denkst daran, damit du es nicht vergisst, aber dadurch kannst du nicht einschlafen.
Auslöser 2 – Emotionale Belastungen: Wenn Sorgen und Ängste das Kopfkino starten
Jetzt wird es emotional. Denn neben den unerledigten To-dos gibt es noch einen anderen großen Auslöser für nächtliches Grübeln: unsere Gefühle. Besonders die unangenehmen.
Tagsüber funktionieren wir oft im Autopilot. Wir haben keine Zeit für große Gefühle, müssen arbeiten, Termine einhalten, für andere da sein. Unsere Emotionen werden dabei oft zur Seite geschoben – aber sie verschwinden nicht einfach. Sie warten geduldig auf einen ruhigen Moment. Und der kommt meist nachts.
Sobald die äußeren Ablenkungen wegfallen, melden sich die verdrängten Gefühle zurück. Die Sorge um die Beziehung, die Angst vor der Präsentation, der Ärger über den Kollegen – alles kommt hoch. Und mit den Gefühlen kommen die Gedanken. Wie ein gut eingespieltes Team verstärken sie sich gegenseitig.
Aus neurobiologischer Sicht passiert dabei etwas Faszinierendes: Unser Stresssystem, das sympathische Nervensystem, wird aktiviert. Eigentlich sollte es am Abend runterfahren und seinem Gegenspieler, dem parasympathischen Nervensystem, Platz machen. Aber emotionale Belastungen halten es wach.
In meinen Achtsamkeitskursen erlebe ich das immer wieder. Menschen erzählen mir: „Sobald ich mich entspannen will, kommen all die Sorgen hoch.“ Eine Teilnehmerin beschrieb es mal so: „Es ist wie ein Vulkan. Tagsüber liegt ein Deckel drauf, aber nachts bricht alles raus.“
Die häufigsten emotionalen Auslöser, die ich in meiner Praxis beobachte, sind:
Beziehungssorgen: „Was ist, wenn er mich nicht mehr liebt?“ „Warum ruft sie nicht zurück?“ „Haben wir uns heute Morgen richtig gestritten?“
Berufliche Ängste: „Was, wenn ich den Job verliere?“ „Schaffe ich das Projekt rechtzeitig?“ „Was denken die Kollegen über mich?“
Gesundheitssorgen: „Was, wenn die Kopfschmerzen etwas Schlimmes bedeuten?“ „Bin ich zu dick?“ „Was ist, wenn ich krank werde?“
Zukunftsängste: „Wie soll das alles weitergehen?“ „Reicht das Geld für die Rente?“ „Was ist, wenn…“
Das Perfide daran: Nachts sind wir besonders verletzlich. Die Probleme wirken größer, die Sorgen bedrohlicher. Was tagsüber noch managbar erschien, wird nachts zum unüberwindbaren Berg. Psychologen nennen das „Katastrophisieren“ – aus einem kleinen Problem wird in der Dunkelheit schnell eine Katastrophe.
Warum Verdrängen das Problem verstärkt? Weil verdrängte Emotionen nicht verschwinden. Sie sammeln sich an wie Wasser hinter einem Damm. Und irgendwann bricht der Damm – meist nachts, wenn wir am wenigsten damit rechnen.
Viele meiner Klientinnen sagen: „Aber ich will doch gar nicht an diese Sachen denken!“ Das verstehe ich gut. Aber Gefühle lassen sich nicht wegdenken. Sie wollen gefühlt und verstanden werden. Nur dann können sie wieder gehen.
„Die Stille der Gedanken ist manchmal
lauter als das Geschrei der Welt.„
– Rocco Heerklotz –
Auslöser 3 – Fehlende Tagesstruktur: Wie mangelnde Abgrenzung dein Gedankenkarussell anheizt
Jetzt kommen wir zum dritten großen Auslöser – und der ist besonders tückisch, weil er sich so schleichend einschleicht: fehlende Grenzen zwischen Tag und Nacht, zwischen Arbeit und Freizeit, zwischen Anspannung und Entspannung.
Früher war das klarer geregelt. Wenn die Sonne unterging, war Feierabend. Heute haben wir künstliches Licht, Smartphones und eine Arbeitswelt, die rund um die Uhr verfügbar ist. Die natürlichen Rhythmen geraten durcheinander – und mit ihnen unser Gedankenkarussell.
Ein klassisches Beispiel aus meiner Praxis: Sarah, eine Marketing-Managerin, erzählte mir: „Ich schaue abends im Bett noch schnell die E-Mails durch. Eigentlich nur kurz. Aber dann lese ich eine Mail vom Chef und schon rattert mein Kopf die ganze Nacht über das Projekt.“
Was Sarah nicht wusste: Sie hatte ihrem Gehirn signalisiert, dass es weiterarbeiten soll. Anstatt in den Entspannungsmodus zu wechseln, blieb es im Arbeitsmodus hängen. Wie ein Computer, der nicht richtig heruntergefahren wurde.
Die Work-Life-Balance ist nicht nur ein schönes Schlagwort – sie ist neurobiologisch wichtig. Unser Gehirn braucht klare Signale: Jetzt ist Arbeitszeit, jetzt ist Entspannungszeit. Ohne diese Abgrenzung verschwimmen die Grenzen, und das Gedankenkarussell hat freie Fahrt.
Besonders problematisch ist der Medienkonsum vor dem Schlafengehen. Das blaue Licht der Bildschirme unterdrückt die Melatonin-Produktion – unser natürliches Schlafhormon. Aber noch schlimmer sind die Inhalte. Nachrichten, Social Media, spannende Serien – sie alle aktivieren unser Gehirn, anstatt es zur Ruhe zu bringen.
Eine andere Klientin, Anna, erzählte mir: „Ich scrolle abends durch Instagram, um zu entspannen. Aber dann sehe ich die perfekten Leben der anderen und grüble stundenlang darüber, was ich alles falsch mache.“ Social Media als Entspannung – das ist wie Koffein als Schlafmittel.
Auch fehlende Rituale spielen eine große Rolle. Rituale sind wie Brücken für unser Gehirn. Sie helfen beim Übergang von einem Zustand in den anderen. Ohne Abendritual fehlt die Brücke zwischen „Ich bin wach und aktiv“ und „Ich bin bereit zum Schlafen.“
In meinen Kursen und Coachings erlebe ich immer wieder, wie Menschen plötzlich verstehen: „Ach so, deshalb kann ich nicht abschalten!“ Es ist nicht mangelnde Willenskraft – es ist mangelnde Struktur.
Das Homeoffice hat dieses Problem noch verstärkt. Wenn der Küchentisch gleichzeitig Arbeitsplatz und Essplatz ist, wo ist dann die Grenze? Wenn der Laptop neben dem Bett steht, wie soll das Gehirn wissen, dass jetzt Schlafenszeit ist?
Viele Menschen denken, sie müssten immer erreichbar sein. Aber diese ständige Bereitschaft kostet Energie. Dein Gehirn ist wie ein Smartphone – es braucht Pausen zum Aufladen. Ohne diese Pausen läuft der Akku leer, und das Gedankenkarussell springt an.
Was ich in meiner Praxis auch häufig beobachte: Menschen, die keine festen Routinen haben, schlafen schlechter. Das liegt daran, dass unser Gehirn Vorhersagbarkeit liebt. Wenn jeden Abend etwas anderes passiert, kann es sich nicht auf den Schlaf vorbereiten.
Die gute Nachricht: Struktur lässt sich lernen. Kleine Veränderungen in der Tagesstruktur können große Auswirkungen auf dein nächtliches Gedankenkarussell haben. Es braucht nur ein bisschen Bewusstsein dafür, wo die Grenzen verwischen.
„Liebe Tina,
als ich das Achtsamkeitscoaching bei Dir Dir gebucht habe war ich gestresst und irgendwie total neben mir. Durch das Coaching habe ich gelernt wieder in allen Situationen bei mir selbst zu sein und mich auf mich und die aktuelle Situation zu fokussieren. Durch die verschieden erlernten Techniken schaffe ich es immer wieder aus dem Gedankenkarusell auszusteigen und Ruhe zu finden. Vielen lieben Dank!“
Fazit: Dein Gedankenkarussell lässt sich anhalten 🙂
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